Mittwoch, 31. Mai 2023
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Der Mann der Wahl

Der Mann der Wahl
Das Grab von Bezirksbürgermeister Herbert Grigers auf dem Hermsdorfer Friedhof. Foto: Harvey Kneeslapper_Wikipedia

Tegel – Dass der Tegeler See in den letzten Jahren bei Prüfungen der Wasserqualität außerordentlich gut abschneidet, ist auch ein Verdienst von Herbert Grigers. Denn als Bezirksbürgermeister setzte er sich vehement für den Bau der Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage ein. Damals war es nicht gut bestellt um den Zustand des Gewässers: Der hohe Phosphatgehalt förderte den Algenwuchs so stark, dass der See aufgrund des sinkenden Sauerstoffgehalts zu kippen drohte. Von 1980 bis 1985 ließ die Senatsverwaltung für Bau und Wohnungswesen eine Phosphateliminationsanlage bauen, um den See zu sanieren.

Die Fertigstellung erlebte Grigers nicht mehr, da er 1983 im Alter von nur 55 Jahren verstarb. Geboren wurde er am 25. Februar 1928 im oberschlesischen Gleiwitz. 1937 zog die Familie nach Tegel, wo er das Humboldt-Gymnasium besuchte. Nach dem Abitur war er als Verwaltungsangestellter beim Sozialamt Reinickendorf tätig. Er wechselte 1950 zum Grundstücksamt und schaffte es schließlich zum Amtsrat. 1954 heiratete der engagierte Katholik Ingrid Gottschalk; die Tochter nannten sie Bettina. In dieser Zeit trat er der SPD sowie der Deutschen Angestellten Gewerkschaft DAG bei und wurde 1962 in Charlottenburg zum Baustadtrat gewählt – 1970 brachte er es sogar zum Bezirksbürgermeister in Reinickendorf. Die „Bürgermeister-Villa“, das ehemalige Direktorenwohnhaus auf dem Gelände des Georg-Herwegh-Gymnasiums am Hermsdorfer Damm, wurde zu seiner neuen Adresse.

Herbert Grigers war auch Aufsichtsratsmitglied der Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU, verantwortlich für die Errichtung des Märkischen Viertels. Der Abschluss des Großprojekts fiel in seine Amtszeit – und damit auch die Probleme, die der neue Kiez mit sich brachte.

Sein engagierter Einsatz für Städtepartnerschaften des Bezirks mit Orten in Frankreich, England und Israel brachte ihm in der Presse auch Kritik aufgrund der Kosten, die höher als in dan Nachbarbezirken ausfielen.

Wie schnell man in der Politik von Gegnern in die Ecke gedrängt werden kann, erfuhr der Bezirksbürgermeister buchstäblich am eignen Leib, als Demonstranten sein Büro besetzten. Nur „drei Quadratmeter Luft zum Atmen“ blieben ihm nach eigener Aussage. Ihr Unmut galt der Absetzung von Horst Flegel, dem ärztlichen Direktor der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Diesen Posten hatte der Professor erst ein halbes Jahr zuvor bekommen, um dringend nötige Reformen in der „Verwahranstalt“ vorzunehmen – so wurde die Klinik während des Protests bezeichnet, an dem sich auch Teile des Pflegepersonals beteiligten. In seiner Kündigung nach der Probezeit sah die aufgebrachte Gruppe aus Klinikangestellten und Studenten ein Signal des Bezirksamtes gegen den Versuch von Professor Flegel, gezielt die Eigenständigkeit der Patienten durch Therapien zu fördern.

Aber in Grigers Amtszeit gab es auch erfreuliche Momente, wie etwa die Eröffnung der Reineke-Fuchs-Schule 1972. Bei diesem Anlass überreichte er einen echten, allerdings ausgestopften, Fuchs, der seine neue Heimat in einer Glasvitrine im Foyer der Grundschule fand. Zu Grigers Todestag, der sich am 22. Mai zum 40. Mal jährt, hatte die vom frühen Verlust erschütterte Familie noch vor fünf Jahren in einer Traueranzeige an den geliebten Ehemann und Vater erinnert.bod

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