Samstag, 18. März 2023
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Zum Tod des TXL-Architekten

Zum Tod des TXL-Architekten
Der Flughafen Tegel wurde vom Architekturbüro gmp um Meinhard von Gerkan geplant. Foto: bod

„Wenigstens geht noch ein Flug nach Riga, in meine alte Heimat“, stellte Meinhard von Gerkan bei seinem Abschiedsrundgang über den Flughafen Tegel zufällig fest. Das war im Juni 2020, als die Pandemie den Luftverkehr beinahe lahmlegte. Auf der Anzeigentafel wurde nur ein halbes Dutzend Abflüge angekündigt. Für den Pressetermin zur baldigen Schließung des TXL war er gemeinsam mit seinem Büro-Partner Volkwin Marg mit dem Auto aus Hamburg angereist.

Geboren wurde Gerkan am 3. Januar 1935 in der lettischen Hauptstadt. Im Zweiten Weltkrieg kam sein Vater an der Front um; seine Mutter überlebte die Flucht nach Deutschland nicht. Nach verschiedenen Pflegefamilien kam er schließlich in Hamburg in einem Pfarrhaushalt unter. An der Waldorfschule schaffte er es zwar nicht zur Hochschulreife, holte aber kurz darauf das Abitur an einer Abendschule nach. Beim Architekturstudium in Berlin lernte er Volkwin Marg kennen, mit dem er in Hamburg das Architekturbüro gmp (Gerkan, Marg und Partner) gründete. Der Sieg der Neulinge bei der Ausschreibung für den geplanten Flughafen in West-Berlin war bemerkenswert. Der 1970 begonnene Bau beeindruckte als „Flughafen der kurzen Wege“, denn von der Bordsteinkante bis in den Flieger waren es im günstigsten Fall nur 30 Meter.

Auch der Pannen-Airport BER entstand nach Plänen von gmp. Obwohl das Architekturbüro im Laufe der unzähligen Streitigkeiten vor die Tür gesetzt wurde, gibt jedoch niemand ernstlich dem gmp-Team die Schuld an dem Desaster.

Ein weiterer Berliner Verkehrsknotenpunkt nach Gerkans Entwurf ist der Hauptbahnhof. Die eigenmächtige Änderung seiner Pläne bei der Ausführung missfiel ihm so, dass er gegen Bahnchef Mehdorn vor Gericht zog. 2006 gewann Gerkan den Prozess, was aber letztendlich nicht zum Umbau führte, sondern nur zu einer Zahlung an seine Stiftung.

Seine Arbeit blieb lebenslang echtes Handwerk, denn alle Pläne brachte er zuerst mit dem Zeichenstift zu Papier. Die digitalen Möglichkeiten reizten ihn kaum: „Mit der freien Hand“ sei er auch schneller als mit dem Computer, verteidigte er seine altmodische Arbeitsweise. Fast alle ersten Skizzen sind weder im Büro noch in der Wohnung entstanden, sondern vor allem in Hotels. Dort fühlte er sich weniger abgelenkt durch Störungen wie Telefonanrufe.

Wohl wenige Architekten können von sich behaupten, eine ganze Stadt nach ihren Plänen realisiert zu haben – Gerkan bekam in China die Möglichkeit dazu. Südlich von Shanghai entstand eine Stadt komplett auf dem Reißbrett für über eine halbe Million Menschen. Das Zentrum bildete nicht die übliche Einkaufsmeile, sondern ein künstlich angelegter kreisrunder See mit einem Durchmesser von drei Kilometern.

Sportstadien galten seit der WM 2006 in Deutschland als Spezialität von gmp. Gerkan bemerkte dazu, dass sie für dieses Großereignis „das Olympiastadion quasi einmal abgerissen und wieder neu aufgebaut haben mit einem Dach.“ Für die WM neu geschaffen hat das Architekturbüro Arenen in Köln und Frankfurt. Weltweit finden sich Stadien und zahlreiche andere prägnante Bauwerke nach gmp-Entwürfen.

Am 30. November des letzten Jahres verstarb Gerkan im Alter von 87 Jahren. Obwohl in Tegel kein Luftverkehr mehr abgewickelt wird, bleibt sein Erbe, das legendäre Terminal A, erhalten, denn seit 2019 steht es unter Denkmalschutz.

bod

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