
Reinickendorf-Ost – Eine Katze hat ja bekanntlich sieben Leben. Und so scheint es auch beim Café am See der Fall zu sein. Vor 22 Jahren, am 1. April 2000, eröffnet Silvia Cetin das kleine Café an der Residenzstraße 43a mit Blick auf den Schäfersee – und kämpft sich und ihr Café durch die Jahrzehnte. Nun ist sie erneut in Not – nur ein Anbau könnte ihr helfen.
Als die engagierte Cetin das Café eröffnete, bestand es lediglich aus drei Tischen und einem Tresen. Ein Anbau und viel persönliches Engagement machten es in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu dem, was es heute ist: eine beliebte Anlaufstelle für Jung und Alt.
Um das große Geld ging es der Reinickendorferin nie – vielmehr um ein gutes Miteinander und einen Ort, an dem Ältere der Einsamkeit entfliehen konnten, an dem Gutes geschah und Hilfsprojekte genaue Formen annahmen. Spenden und Weihnachtsprojekte, Reinigungsaktionen am See gegen Vermüllung und der Kampf gegen die Miniermotte jeden Herbst aufs Neue, Aktionen für die Kinder aus dem Kiez und Silvester für die Seniorinnen und Senioren – das war es, was für die Reinickendorferin im Vordergrund stand, was ihr am Herzen lag. Kurz und knapp: Silvia Cetin war und ist die gute Seele im Kiez.
2009 kaufte sie das Grundstück vom Bezirksamt – und machte den Fehler, ihren damaligen Partner ins Grundbuch einzutragen. Schon lange getrennt und ohne Kontakt, meldete er sich plötzlich wieder und wollte das Café verkaufen. Es folgte eine Zwangsversteigerung, bei der Cetins Sohn Höchstbietender war. Das Unglück war erst einmal abgewendet. Doch er konnte das Geld nicht abbezahlen, und es folgte eine zweite Zwangsversteigerung. Ein Käufer fand sich, und Silvia Cetin wurde Pächterin des Cafés.
Dann kam Corona: Die Pandemie und die damit verbundenen Zwangsschließungen und Auflagen rissen der Café-Inhaberin noch einmal den Boden unter den Füßen weg. „Wir mussten schließen und es gab nichts mehr, wo sich die älteren Reinickendorfer hinwenden konnten“, erinnert sie sich. Nur ein Außer-Haus-Verkauf war noch möglich. Und Spaziergänger retteten sie und ihr Team mit dem Kauf von Wurst to go, Kaffeespezialitäten und anderen Getränken vor dem endgültigen Aus.
Das Café ist eng verknüpft mit ihrem eigenen Leben. Und obwohl sie in den vergangenen Jahren keinen einzigen freien Tag hatte und unermüdlich von morgens bis abends Bestellungen aufnimmt und ihre Gäste bedient, wird es ihr nie zu viel. Denn sie tut tagtäglich Gutes und führt immer wieder Menschen zusammen, die sonst vereinsamen und verzweifeln würden.
Nun steht die Zukunft des kleinen Cafés erneut auf der Kippe: „Erst kam Corona und dann der Ukraine-Krieg“, sagt sie verzweifelt. „Die Kosten explodieren, denn ich koche und heize mit Gas.“
Was sie dringend benötigt, ist mehr Platz in ihrem Café. „Ich kann meine älteren Stammkunden nicht vor die Tür setzen, um Platz für andere Gäste zu schaffen, nur weil sie aufgrund ihrer geringen Rente lediglich einen Tee trinken. Deshalb möchte ich einen zusätzlichen Raum haben, den ich auch für private Feiern nutzen könnte, sei es für einen Geburtstag oder eine Hochzeitsgesellschaft oder eine Trauerfeier“, erklärt sie. Nur so könnten sie und ihre Mitarbeiter auf Dauer weiter existieren. „Ein Anbau ist für mich überlebenswichtig“, fügt sie hinzu.
Der vor eineinhalb Jahren vom Inhaber des Gebäudes gestellte Antrag auf einen Anbau wurde immer noch nicht genehmigt. Dabei hatte sie Pläne, ab Januar für die Umbaumaßnahmen zu schließen. Doch das steht nun weiter in den Sternen. „Der Bau eines Wohnhauses am Schäfersee wird genehmigt, und wir warten weiterhin.“ Müde, ein bisschen wehmütig schaut sie über die liebevoll dekorierten Tische und ihre Kaffeegäste hinweg. „Das alles, das ist mein Leben, mein Zuhause“, sagt sie und kann die Tränen nur schwer unterdrücken. „Das alles möchte ich nicht verlieren.“
Rückenwind erhält sie von Reiner Schröter. Der 76-jährige Rentner, der auch Mitglied der bezirklichen Seniorenvertretung ist, setzt sich für Cetin und das Café ein und hat sogar eine Anwohnerfrage für die nächste Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung vorbereitet: „Sie alle sowie viele weitere Reinickendorfer Mitbürgerinnen und Mitbürger kennen den Schäfersee, ein leider weiterhin gefährdetes Idyll. Gerne kehren sie dann im gemütlichen ,Café am See‘ der gastfreundlichen und zugewandten Wirtin Silvia Cetin ein. Besonders wir Seniorinnen und Senioren – also auch ich selbst – fühlen uns dort sauwohl und geborgen.“ Seine Bitte: „Unterstützen Sie das ,Café am See‘ mit all Ihren Kräften! Der Schäfersee-Kiez, der See, das Café, sein Team, seine Wirtin und seine Gäste haben es verdient.“
fle