
Frohnau – 1952 erregte ein tödlicher Grenzvorfall in Frohnau an Weihnachten beide deutsche Nationen.
Der Abend begann mit einem harmlosen Familienbesuch: Willi und Elisabeth Fehlauer waren mit Sohn und Tochter Ingeborg nach Berlin gereist, um gemeinsam mit der frisch verlobten jüngeren Tochter Hildegard zu feiern. Ihre Unterkunft in der Oranienburger Chaussee 68 lag direkt an der Grenze zur DDR. Nach dem Besuch der mitternächtlichen Christmette saß die Familie noch beim Schwiegersohn in spe zusammen, bevor sich die Eltern mit Ingeborg auf den Heimweg machten und gegen 4 Uhr morgens ihr Quartier erreichten.
Kurz vor der Gartenpforte wurden sie von drei russischen Soldaten dazu genötigt, in den Sowjetsektor zu folgen. Als sie sich weigerten, wurden sie mit vorgehaltener Waffe mitgezerrt. Ingeborg begann um Hilfe zu schreien. Die Mutter warf sich zu Boden und simulierte einen Herzinfarkt, woraufhin Vater und Tochter sie von beiden Seiten stützend zurück zum Haus brachten. Der Familie gelang es im letzten Moment, die Tür vor dem eskortierenden Soldaten zu schließen. Unterdessen war wegen der Schreie die Polizei verständigt worden. Im Funkstreifenwagen der West-Berliner Beamten saß der 27-jährige Herbert Bauer, der gemeinsam mit seinem Kollegen ausstieg und auf das Haus zuging. Auf den Befehl der russischen Soldaten, unverzüglich stehen zu bleiben, antwortete er noch: „Nix stoj, hier westliches Gebiet!“
In diesem Augenblick streckten vier Schüsse den jungen Mann zu Boden. Ihm zu Hilfe zu eilen, war durch den andauernden Schusswechsel mit den Sowjets nicht möglich. Eine halbe Stunde lag er dort, bis sich die Soldaten zurückgezogen hatten. Ein Rettungswagen brachte Bauer ins Hermsdorfer Dominikuskrankenhaus, wo allerdings nur noch sein Tod festgestellt werden konnte.
Die Trauerfeier am 30. Dezember, auf der auch Bürgermeister Ernst Reuter sprach, geriet zu einer Großdemonstration, bei der mehrere hunderttausend Menschen entlang der Route des Leichenwagens ihre Betroffenheit bekundeten. Seine letzte Ruhe fand Herbert Bauer in Tegel auf dem Friedhof „Am Nordgraben“ in einem Ehrengrab. Im Park am Edelhofdamm erinnert ein Gedenkstein an den Tod des jungen Mannes, der den Zweiten Weltkrieg überlebt hatte; der gelernte Maschinenschlosser war in einem U-Boot im Einsatz.
Ein Jahr nach der Kapitulation begann er eine Laufbahn bei der Polizei. Der Oberwachtmeister gehörte als Funkstreifenführer zum Revier am Ludolfingerplatz 4. Neben der persönlichen Tragödie, die zwei Kindern den Vater nahm, hatte der Fall eine enorme politische Sprengkraft. So argumentierte beispielsweise der Vorsitzende der Berliner FDP, Carl Hubert Schwennicke, ohne militärische Einbindung in die Verteidigung des westlichen Europas, sei „die Bundesrepublik genau so den östlichen Aggressoren ausgeliefert wie die Westberliner Funkwagenbesatzung mit ihren Pistolen in Frohnau.“
In der DDR-Presse wurde der Vorfall als geplante Aktion von „Provokateuren in Zivilkleidung“ dargestellt, die in den Ost-Sektor eingedrungen seien um die sowjetischen Soldaten zu entführen. Der SPIEGEL berichtete aber auch von einer stillen Geste durch zwei DDR-Volkspolizisten, die an der Grenze zu Frohnau einem Mädchen auf der Westseite einen Kranz mit der Bitte übergaben, ihn am Unglücksort niederzulegen.
bod