
Reinickendorf – Kiffen ist in und Alkohol gehört zum Alltag. Doch was macht es mit den Menschen, die Alkohol, Zigaretten, Haschisch oder härtere Drogen regelmäßig zu sich nehmen? Am 28. Oktober lud Norbert Raeder zu einem Informationsabend in sein Kastanienwäldchen, um mit Stadträtin Julia Schrod-Thiel, dem CDU-Abgeordneten und Rechtsanwalt Burkard Dregger, Sascha Braun als Experte zum Thema Betäubungsmittelrecht, Martin Proschmann, Leiter der Sucht- und Lebenshilfe Teen Challenge, und betroffenen Personen zu diskutieren. Die RAZ sprach im Anschluss mit Norbert Raeder.
Herr Raeder, wie war der Abend für Sie?
Ich persönlich halte ihn für einen der wertvollsten Informationsabende, die wir jemals hatten! Während rund 25 Personen heiß diskutierten und ihre Erfahrungen miteinander austauschten, verfolgten auf den Onlinekanälen weitere 400 Besucher die Vorträge der einzelnen Diskussionsteilnehmer.
Worum ging es?
Die Berliner Grünen fordern die Entkriminalisierung von harten Drogen wie Kokain – und im Kastanienwäldchen erzählten von Sucht betroffene Menschen aus ihrem durch Drogenkonsum unbestimmten harten und eher zukunftslosen Leben. Wenn man die Entkriminalisierung harter Drogen wie Kokain aus dem Blickwinkel von suchtkranken Menschen betrachtet, erscheint eine solche politische Forderung wie ein – vor allem an die jüngeren Generationen gerichteter – Mordversuch auf Raten.
Wie geht es Ihnen jetzt wenige Tage danach?
Ich bin immer noch sehr berührt, nachdenklich und schockiert von den Erzählungen drogenabhängiger Menschen. Gleichwohl bin ich auch begeistert von den Menschen, die versuchen, süchtigen Menschen unterstützend zur Seite zu stehen.
Sie meinen damit Martin Proschmann?
Ja, er erzählte von seiner auch ihn belastenden emotionalen Arbeit. Er kann aus seinem jahrzehntelangen Blickwinkel und den jährlich steigenden Zahlen abhängiger Menschen weder die Gründe für eine Entkriminalisierung noch für eine Legalisierung von Drogen nachvollziehen. Viele der Menschen, die er betreut, stehen kurz vor dem Ende einer langen qualvollen Drogenkariere – und vor einem grausamen Tod.
Gab es auch Zahlen und Fakten bei der Veranstaltung?
Sascha Braun präsentierte diese unter dem Motto „Drogen im Alltag – wer mitreden will, braucht Ahnung“. Gerade die jungen anwesenden Menschen waren davon sichtlich berührt. Über die Tatsache, dass von den 12- bis 17-jährigen Jugendlichen 10,4 Prozent und von den 18- bis 25-jährigen Erwachsenen 46,4 Prozent Cannabis zumindest schon einmal ausprobiert haben, waren sie aufgrund der Erfahrungen aus ihrem eigenen Freundeskreis nicht überrascht. Die Tatsache jedoch, dass je früher, je häufiger und je intensiver zum Beispiel Cannabis konsumiert wird, desto höher auch das Risiko langfristiger gesundheitlicher Folgen wie Depressionen, Psychosen, kognitive Defizite sowie Suchtgefährdung besteht, machte sie sehr nachdenklich. Für Sacha Braun steht es außer Frage, dass wir mit aller Kraft die jungen Menschen so früh wie möglich vor den Gefahren eines Drogenkonsums informieren müssen. Er plädiert dafür, noch in der Grundschule damit zu beginnen.
Welchen Standpunkt hatten die anderen Diskussionsteilnehmer?
Auch Burkardt Dregger steht der Entkriminalisierung von harten Drogen entgegen. Er kennt viele suchtbetroffene Menschen im Resi-Kiez. Stadträtin Julia Schrod-Thiel erzählte von ihrer Einstellung gegenüber Drogen, von der eigenen Abneigung zu Alkohol – und von dem Erlebten im Bereich der Drogenkriminalität, welches ihr und ihren Mitarbeitern täglich aggressiv auf der Straße entgegenkommt. Mitarbeiter die sich mit den Drogenproblemen zum Beispiel rund um den Schäfersee auseinandersetzen müssen, die angegriffen werden und die Probleme wie Prostitution auf der öffentlichen Schäferseetoilette sogar aus früheren Erzählungen schon länger sehr gut kennen. Auch für sie kommt weder eine Legalisierung noch eine Entkriminalisierung in Frage.
Danke für das Gespräch.
Interview C. Flechtner