Freitag, 29. September 2023
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Nicht immer gemocht, aber dennoch geliebt

Nicht immer gemocht, aber dennoch geliebt

Waidmannslust – Es ist kein Geheimnis: die Rollbergesiedlung hat nicht den besten Ruf. Migrationsanteil von rund 50 Prozent, hohe Arbeitslosenquote und Jugendarmut machen die „kleine Schwester des Märkischen Viertels“, wie das Areal um Titisee- und Schluchseestraße auch genannt wird, zum sozialen Brennpunkt. Nicht nur der Verkauf von rund 2.500 Wohnungen an die landeseigene GEWOBAG zum 1. Dezember dieses Jahres bietet zukunftsorientierte Chancen. Bezirks­amt und regionale Akteure suchen nach neuen Wegen.

Das Verhältnis der 9.300 Anwohner (Rollbergesiedlung und Lübarser Straße) zu ihrem Kiez ist ambivalent. Einerseits wird er geliebt, andererseits aber nicht immer gemocht. Bestes Beispiel ist Anni Corth. Sie lebt seit 1971 in dem markanten 22-geschossigen Hochhaus an der Ecke Zabel-Krüger-Damm, konzipiert von dem Star­architekten Hans Sharoun. „Ich wohne sehr gern hier, habe eine schöne Wohnung“, findet Anni Corth. Zudem sei man gleich im Grünen, am Tegeler Fließ. Aber die Rentnerin weiß gleichfalls um die Probleme, hat vieles dokumentiert. Es gibt ausrangierte Möbel in Hausfluren, Rattenplage und verrottende Autos im Straßenraum. Ihre Beschwerden und Fotos füllen mittlerweile Ordner.

Anni Corth kommt daher zusammen mit etwa 60 weiteren Interessierten am 20. November zur Ortsteilkonferenz in die Grundschule in den Rollbergen. Das Bezirksamt hat geladen. „Unser Wunsch ist es, mit allen ins Gespräch zu kommen“, erläutert der Stadtrat für Wirtschaft, Gesundheit, Integration und Soziales, Uwe Brockhausen, den Hintergrund. „Die Rollbergesiedlung ist eine ganz eigene Geschichte, da ist noch viel Luft nach oben“, sieht der stellvertretende Bezirksbürgermeister Handlungsbedarf. Er kündigt als wichtigen Schritt an, dass es ein Quartiersmanagement geben wird. Mit Beginn des Jahres 2021 soll dieses starten.

Weitere Kiez-Akteure informieren an diesem Abend über ihre Arbeit. Eine Mitarbeiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes diagnostiziert Bedarf im Bereich von Kita-Plätzen und Deutschkursen. Junge Mütter hätten große Probleme, viele Kinder kämen zudem ohne Deutschkenntnisse in die Schule. Ein Anlaufpunkt ist das FACE-Familienzentrum in der Titiseestraße 3, das von der Evangelischen Kirche Reinickendorf getragen wird. Hier begegnen sich Eltern mit Kindern im Alter von null bis fünf Jahren beim Krabbelfrühstück, Mädchentreff oder beim Entdeckerclub. Die Kirche will rund eine Million Euro in einen Neubau am Stadtplatz investieren. Auch für Jugendliche gebe es noch viel zu tun, meint Mandy Brehmer vom Straßensozialarbeitsdienst Gangway. Die Angebote im Jugendzentrum Streethouse in der Schluchseestraße seien gut, aber bei weitem nicht ausreichend.

Ordnungsamt und Polizei sind ebenfalls vor Ort. „Es gibt keine gravierende Kriminalitätslage“, bescheinigt Mareen Koch, Leiterin des Führungsdienstes beim zuständigen Polizeiabschnitt 12, dem Viertel. Das subjektive Empfinden der Anwohner sei, so Koch, anders als die wirkliche Lage. Nach Präsentationen im Plenum geht es an diesem Abend in fünf Foren mit jeweils einer konkreten Fragestellung. Auf der Agenda stehen die Situation der Mieterschaft, die Kinder-, Jugend- und Familienarbeit, die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements sowie die Integration Geflüchteter. Die Ergebnisse der Foren können auf der Internetpräsenz des Bezirksamtes eingesehen werden. ks

Gefundene Standorte im Beitrag | Berlin, Reinickendorf