Donnerstag, 01. Juni 2023
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Vermächtnis eines zum Tode Verurteilten

Vermächtnis eines zum Tode Verurteilten

Tegel – Bereits am 1. Februar 1933, zwei Tage nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, warnte Dietrich Bonhoeffer in einer Radioansprache, dass der Führer schnell zu einem Verführer werden könnte. Der Sender brach die Übertragung ab. Doch der mutige Theologe, Mitglied der „Bekennenden Kirche“, ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Die BK war eine Gegenbewegung zu den „Deutschen Christen“, die den Aufstieg der NSDAP begrüßten.

Trotz seiner kritischen Haltung wurde Bonhoeffer erst im April 1943 verhaftet wegen seiner engen Verbindung zum Kreis der Attentäter, die im März zwei missglückte Anschläge auf Hitler verübt hatten. Die ersten zwölf Tage in Tegel sprach niemand ein Wort mit ihm. Doch bald fanden sich wohlgesonnene Wärter, die sogar Post für ihn schmuggelten.

Maria von Wedemeyer, mit der er seit Januar verlobt war, durfte ihn einmal im Monat für eine Stunde besuchen. Kurz vor Weihnachten 1943 brachte sie ihm Bücher und Gebäck. Alleine in der Zelle blieben ihm nur die Erinnerungen an die fröhlichen Feiertage der vergangenen Jahre mit seinen sieben Geschwistern. Er schrieb am 25.12.: „Ich habe Marias Kerze angezündet, die Weihnachtsgeschichte gelesen, Weihnachtslieder vor mich hingesummt und an Euch gedacht!“

Zu dem Wärter Knobloch fasste Bonhoeffer so viel Vertrauen, dass er ihn in seinen Fluchtplan einband. Seine Schwester Ursula und ihr Mann besorgten einen Monteuranzug, in dem Bonhoeffer vom Wärter aus dem Gefängnis geführt werden sollte. Durch die Verhaftung seines Schwagers Rüdiger und seines Bruders Klaus schien Bonhoeffer dieser Plan aber zu gefährlich. Kurz darauf wurde er in das berüchtigte Gestapogefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße verlegt. Heute erinnert die „Topografie des Terrors“ in den Überresten des Gebäudes an die Schreckensherrschaft des Dritten Reichs. Von dort schickte er das Gedicht „Von guten Mächten“ an seine Verlobte im Dezember 1944:

„Hier noch ein paar Verse, die mir in den letzten Abenden einfielen. Sie sind der Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister.“

Seine Familie sah er nie wieder. Auf Befehl Hitlers sollten alle Beteiligten des Attentats vom 20. Juli hingerichtet werden, zu denen auch die Brüder Bonhoeffer zählten. Dietrich kam erst in das KZ Buchenwald und dann in das KZ Flossenbürg. Dort wurde er am 8. April 1945 mit vier Mitangeklagten zum Tod durch den Strang verurteilt und am nächsten Tag hingerichtet. Den Weg zu ihrem Henker mussten die Verurteilten nackt antreten. Dietrich Bonhoeffer starb nur einen Monat vor Ende des Krieges im Alter von 39 Jahren.

Über den Tod seiner Söhne Dietrich und Klaus und der Schwiegersöhne Rüdiger Schleich und Hans von Dohnanyi zeigte sich Karl Bonhoeffer „traurig, aber stolz auf die gradlinige Haltung“. Um finanziell für die Familie sorgen zu können, nahm der 77-Jährige die Arbeit wieder auf. Bis zu seinem Tod im Dezember 1948 war der Psychiater an der Klinik in Wittenau tätig, die später nach ihm benannt wurde.

1945 wurden die Verse aus der Weihnachtspost von Dietrich Bonhoeffer zum ersten Mal veröffentlicht. Besonders die siebte und letzte Strophe wird oft zitiert:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

Das Gedicht wurde auch vertont, im Evangelischen Gesangsbuch findet sich unter den Liedern zur Jahreswende die Version des Berliner Organisten Otto Abel aus dem Jahr 1959. Noch populärer ist wohl die Komposition von Siegfried Fietz, die gut zehn Jahre später entstand. Es gibt allerdings über 70 weitere Melodien, die von den bewegenden Zeilen inspiriert wurden. Mit diesen tröstenden Worten hat Dietrich Bonhoeffer somit nicht nur seiner Familie ein kostbares Geschenk gemacht.Boris Dammer

Dietrich Bonhoeffer (2.v.r.) im Hof des Gefängnisses Tegel 1944 Foto: Gütersloher Verlagshaus

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